25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR

Göttingen 2014 – »Anders sein. Außenseiter in der DDR« ist eine Themenreihe, die sich eine kleine Gruppe des Beruflichen Gymnasiums, kurz BGT, zur Aufgabe gemacht hat. Wir wollen hier kleine Artikel zu folgenden Themen veröffentlichen:

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25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, die Deutschland mehr als 26 Jahre in Ost und West geteilt hatte. Noch heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands, wird dieses historische Ereignis gefeiert.

Die DDR, die Deutsche demokratische Republik, existierte von 1949 bis 1990 als sozialistischer Staat und erstreckte sich über die östliche Seite Deutschlands von Rügen bis zum Vogtland. Die knapp 1400 km lange, innerdeutsche Grenze trennte die Deutsche demokratische Republik von 1961 bis 1989 von der Bundesrepublik Deutschland.

Am 9. November 1989 wurden die Grenzübergänge aufgrund der Freiheit fordernden DDR-Bürger geöffnet. Gründe hierfür waren auch die „Republikflüchtlinge“ großer Bevölkerungsteile und die hohe Verschuldung des Staates, kurzum: „die DDR war Pleite!“. Auslöser hierfür war die Neuauflage des Reisegesetztes, welches besagte, das die DDR-Bürger ständig Ausreisen konnten.

Im Folgenden soll es nicht um 25-Jahre Mauerfall und die DDR im speziellen gehen. Wir wollen über Außenseiter in der DDR berichten zu denen politische Flüchtlinge, Ausreisende, Homosexuelle und Punker gehörten. Die letzte Gruppe die Punker waren verboten, weil sie sich gegen den DDR-Staat und seine Verbote auflehnten. Alle gemein war der Wunsch nach „Freiheit“, für das sie viel Leid erfahren mussten. Wir berichten über diese Menschen, Wie es ihnen erging und wie die DDR-Zeiten für sie waren.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 2010

25 Jahre Mauerfall – Quelle: Süddeutsche Zeitung 2010

Lena

25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR – Ausreiseantrag

Göttingen – »Anders sein. Außenseiter in der DDR« ist eine Themenreihe, die sich eine kleine Gruppe des Beruflichen Gymnasiums, kurz BGT, zur Aufgabe gemacht hat. Wir wollen hier kleine Artikel zu folgenden Themen veröffentlichen:

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Die Schikanen, die ein Ausreisesuchender über sich ergehen lassen musste

Am 25. November 2014 wurde es den Schülern der BBS II zum vierten Mal ermöglicht, anhand eines Vortrags, sich Bärbel Großes Geschichte vor Augen zu führen.

Frau Große erzählte sehr detailliert mit kleinen Einblicken aus ihren Stasi-Akten ihr Leben und wie es zu Ihrer Inhaftierung kam. Dabei erzählte sie sehr eindrucksvoll von ihren Erfahrungen mit der Staatssicherheit, die sie des Öfteren aufsuchte.

2014-25 Jahrfeier in Berlin, Bärbel ganz rechts

2014-25 Jahrfeier in Berlin, Bärbel ganz rechts

Frau Große entschied sich mit ihrer Familie einen Ausreiseantrag zu stellen. Nachdem sie zum einen westdeutsche bzw. holländische Freunde gewonnen hatte, die die Buchmesse in Leipzig besuchten und zum anderen verhindern wollte, dass ihr Sohn eines Tages an der Innerdeutschen Grenze stehen müsse und auf „Deutsche“, die fliehen wollen, schießen muss.

In den 70iger Jahren stellte sie daher für ihre ganze Familie zum ersten Mal einen Ausreiseantrag. Ab da fingen die Schikanen ihr und ihrer Familie gegenüber an. Anfang der 80iger Jahre wurde Bärbel Große mit ihren Freundinnen verhaftet, die ebenfalls aus der DDR ausreisen wollte. Sie kamen gerade von den Behörden aus Prag zurück. Jede musste nun für sich allein, die Vernehmungen und Haftzeit überstehen. Interessanterweise wurden die Familien nicht inhaftiert. Frau Bärbel Große bekam die längste Haftzeit, da ihre Schreibmaschine für alle Beteiligten zur Ausführung einer Straftat benutzt wurde. Die Ausstellung der Anträge und erstellen von diversen Schreiben erfolgte eben auf dieser Maschine. Bärbel war mehr als neun Monate von ihrer Familie getrennt.

Die STASI versuchte einen Keil zwischen Bärbel, Ehemann und Kinder zu schieben und machte sie schlecht. Das DDR-Regime zog alle Register um zu verhindern, dass die ganze Familie, die DDR weiterhin verlassen wollte.

Frau Bärbel Große kam nach monatelanger Untersuchungshaft in das Frauengefängnis Hoheneck. Diese Zeit war für Bärbel die schlimmste. Sie saß in einer Gemeinschaftszelle mit 12 Kindesmörderinnen und nur sechs “politisch Gefangenen”, wie Republikflüchtlinge oder Ausreisewillige genannt wurden. Sehr eindrucksvoll schilderte sie die wochenlange Pflege von “Ilse”, die uns unter die Haut ging…

”Wie können Menschen, Menschen das antun?”

– diese Frage beschäftigte wohl gerade in dieser Phase ihrer Erzählung jeden….

Interessant war auch, dass Bärbel uns erzählte, dass es in der DDR angeblich keine Kindesmörder, keine Nazis, keine Behinderten und auch keine Homosexuellen gegeben habe. Wie konnte es also sein, dass gerade in Hoheneck solche Gruppen neben den politischen Gefangenen, die die DDR nur verlassen wollten oder für ihre Rechte eingetreten waren, in Haft saßen. Das DDR-Regime „log“ um seine Bevölkerung über viele Missstände hinweg zu täuschen.

Sehr emotional wurden ihre Erzählungen, als es endlich Richtung Westen ging. Mit  einem “Westbus” wurden auch andere politische Flüchtlinge über die Grenze gebracht. Während sie die Grenzen überquerten  hörten sie einen Hit von Udo Jürgens mit dem Titel “Alles im Griff”. Auffällig war hier, dass alle politischen Flüchtlinge und Ausreisewilligen vom gleichen Rechtsanwalt Dr. Vogel sprachen, der den Transport in den Westen zum einen begleitete und immer für alle Flüchtlinge und politisch Inhaftierten zuständig war.

Bärbel Große in der Mediothek der BBS II Göttingen 2014

Bärbel Große in der Mediothek der BBS II Göttingen 2014

Es dauerte nun noch gut fünf Monate bis Frau Große ihre Familie, ihren Mann und ihre zwei Kinder im Westen in Empfang nehmen konnte. Frau Große ist sich sicher:

“Es hat sich jeder Tag gelohnt, vor dem Mauerfall im Westen zu sein und dort leben zu dürfen. Ich hatte fünf Jahre Vorsprung! Die Freiheit eines jeden, ist das höchste Gut und sie ist nur in einer Demokratie möglich!” (Bärbel Große)

Lena, Helene, Johannes und Hauke

25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR – STASI und Haft

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Das traurige Leben der Melanie Kollatzsch

Melanie Kollatzsch besuchte zuletzt als Zeitzeugin 2011 die BBS II Göttingen. Die Schule zeichnete den Besuch auf. So dass für diesen Artikel das Rohmaterial vom Gespräch mit Melanie Kollatzsch zur Verfügung stand. Mit diesem Artikel wollen wir Melanies traurige Geschichte erzählen und zeigen, dass es den politisch Gefangenen der ersten Stunde nicht so gut ging, wie denen, die danach folgten.

Melanie erzählt sehr eindrucksvoll, wie man nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besatzungszonen lebte, welche Ungerechtigkeiten dort herrschten und für welche „Delikte“ man inhaftiert wurde – wer steht für solche Fragen heute noch zur Verfügung?

Gesicht zur Wand

Bei ihrem letzten Besuch sahen Schülerinnen und Schüler den Dokumentarfilm „Gesicht zur Wand“, der Melanie zeigt, wie sie Strafanstalten und Gefängnisse in der ehemaligen SBZ besucht und dabei erzählte, was ihr dort von 1947 bis 1962 widerfahren ist. Welche Ungerechtigkeiten sie als “Deutsche“ aus dem Rheinland ausgesetzt war und wegen welcher  Banalität sie inhaftiert und zuerst zum Tode verurteilt und später zu 25 Jahren Zwangsarbeit begnadigt wurde. Auch als 1949 aus der SBZ die DDR wurde, glaubte ihr niemand, dass sie ursprünglich als gerade Mal 19-Jährige nur zu Besuch in die SBZ gekommen war um ihren Eltern von ihrer Verlobung mit einem englischen Major zu erzählen. Selbst nach ihrer Haftentlassung 1962 gilt sie weiterhin als Klassenfeindin, als Verräterin.

Im Film sowie im anschließenden Gespräch stellt Melanie Kollatzsch eindrucksvoll die Nachkriegszeit, die Entstehung der SBZ bis zur DDR, das DDR-Regime im getrennten Deutschland sowie die Wiedervereinigung dar. Sie erzählt von den Schattenseiten und Ungerechtigkeiten der Nachkriegszeit, vom Polizeistaat DDR, in dem jeder jeden bespitzelte, so dass sich selbst gute Freunde misstrauten.

Verlorene Jugend

Nach eineinhalb Stunden sichten des Rohmaterials war mir klar, wie brutal Melanie Kollatzsch ihrer Jugend und sogar ihrer Liebe beraubt wurde. Als junge Frau kam Melanie 1947 in die SBZ zu Besuch zu ihren Eltern und wollte ihnen von ihrer Verlobung und anstehenden Hochzeit erzählen. Doch es kam alles anders. Wenige Tage in der SBZ wird Melanie wegen Spionage, Boykott-hetze und illegalem Grenzübergang von den russischen Besatzern verhaftet. Da sie als Dolmetscherin für Englisch arbeitete und auch so ihren Verlobten kennenlernte, der ein englischer Major war, wurde sie der Spionage bezichtigt. Die Russen interessierten sich nicht für ihre Belange und glaubten der jungen Frau im seidenen Sommerkleid nicht.

Kurz darauf wurde Melanie zunächst zum Tode und später von den abziehenden Russen begnadigt und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Sie saß drei Monate alleine in einer kleinen Zelle ohne Pritsche nur mit einer Decke und einem Eimer für die Notdurft. In den drei Monaten erhielt sie keine Möglichkeit sich zu waschen oder gar die Kleidung zu wechseln. Sie trug nach wie vor ihr seidenes Sommerkleid. Der Schock ihrer Inhaftierung und die Angst lies die Monatsblutung einstellen. Nach den drei Monaten übernahm eine erste deutsche Übergangsregierung die Macht in der entstehenden DDR. Melanie hatte Hoffnung, dass nun alles gut und der Fehler ihrer Inhaftierung erkannt würde. Doch nichts geschah. Im Gegenteil, die Interimsregierung war noch schlimmer als die Russen.

Bald kam Melanie in ein anderes Gefängnis, indem sie erstmals andere Kleidung bekam und sich waschen konnte. In insgesamt elf Gefängnissen in 15 ½ Jahren wechselte sie. Jedes war anders. In einigen war sie in Einzelhaft in anderen in kleinen Gruppen, was Melanie als angenehm empfand, da sie sich endlich mal austauschen konnte. Während ihrer Einzelhaft beschäftigte sie sich mit Rechenaufgaben, die sie sich selbst ausdachte, sang vor sich hin um ihr Gehör zu trainieren. In all den Jahren war es Melanie nicht möglich in einen Spiegel zu sehen, da in den meisten Gefängnissen kein Spiegel vorhanden war. So könnte sie die körperlichen Veränderungen nicht nachvollziehen und erschrak als sie sich zum ersten Mal nach gut zehn Jahren im Spiegel sah. Aus dem damals jungen 19-jährigen Mädchen war nun eine Frau von gut 30 Jahren geworden.

An dieser Stelle fragt man sich wirklich:

Wie können Menschen, Menschen so etwas antun? (Bärbel Große)

Auch erlebte Melanie den 17. Juni 1953 in Haft. Ihre Zelle wurde für gut einen Tag aufgeschlossen, doch die Angst ließ sie die Zelle nicht verlassen. Am nächsten Tag wurde sie wieder versperrt und es war alles wie gehabt. Außer dass das Gefängnis auf einmal überfüllt war mit neuen politischen Gefangenen, die am 17. Juni auf die Straßen gegangen waren.

Tragisch für Melanie war ihre vorzeitige Entlassung im Jahre 1962 genau nach dem Mauerbau. Melanie beschreibt die Entlassung aus dem Gefängnis als eine Entlassung in ein viel größeres Gefängnis, so empfand sie die DDR. In all den Jahren nach ihrer Entlassung war die STASI immer an ihren Fersen. Sie führte in all den Jahren kein normales Leben. Auch ging sie nie eine Beziehung ein.

Melanie beschreibt den Mauerfall 1989 als Erlösung und wirkliche Freiheit. Endlich kam sie wirklich frei und konnte ihr Leben in echter Freiheit leben. Sie ist daher ein wahrer Freund der Demokratie und freiheitlichen Selbstverantwortung. „Unsere Freiheit ist ein hohes Gut, das es zu verteidigen gilt.“

2011 Melanie Kollatzsch

2011 Melanie Kollatzsch in der BBS II Göttingen – Mensa

Zwei Zitate möchte ich an dieser Stelle auch noch anbringen:

„Ich hasse heute nicht so sehr, wie ich gewisse Personen verachte. Aber ihnen nun das gleiche anzutun, ist auch nicht mein Charakter.“

„Ich besuche Schulen und stehe für Demokratie und Freiheit, weil ich nicht will das Diktaturen entstehen egal welcher Color, ob rot, braun, schwarz oder sonst wie. Sie führen immer zu Hass- und Unrechtsurteilen. Wer in einer Demokratie schläft, wird in einer Diktatur aufwachen! Seid wachsam und tretet für mehr Demokratie und Freiheit ein.“

Ich war fasziniert und erschüttert zugleich vom Rohmaterial und vom Leben der sympathischen alten Dame. Wir dürfen auch diese Seite der DDR nicht vergessen. Es war nicht alles gut.

Torben

Leuchtfeuer unter Berufsschulen

Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Göttingen. Die BBS II Göttingen hat es geschafft. Seit März 2015 gehören auch die Berufsbildenden Schulen II zur “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage”. Im März 2015 erreichte uns der Brief, dass wir es geschafft haben und nun den lang ersehnten Titel tragen und das Logo für unsere Projekte und beim Briefverkehr benutzen dürfen. Wir werden dazu noch in diesem Schuljahr einen offiziellen Termin bekannt gegeben, an dem unser Pate  Landrat Bernhard Reuter uns die Schilder überreichen wird. 

Es ist eine große Ehre für uns, nun auch zu den Schulen zu gehören, in der Projekte Schule machen!

„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ („SOR-SMC“) ist ein Projekt von und für Schüler/innen, die gegen alle Formen von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, aktiv vorgehen und einen Beitrag zu einer gewaltfreien, demokratischen Gesellschaft leisten wollen.

schule_ohne_rassismus-LOGO

Wir haben dazu bereits einen Blog ins Netz gestellt – der gegen alle Formen von Extremismus argumentiert und Demokratie stärken soll. 2011 wurden wir dafür schon mal ausgezeichnet. Es war uns daher ein großes Anliegen auch hier bei diesem Projekt zu punkten. 

Es erfüllt uns mit Stolz, mit unserem Engagement und Projekten nun auch zu diesen Schulen zu gehören, die “Gegen Rassismus, gegen Mobbing und Diskriminierung vorgehen und Courage zu Würdigen wissen.”

Es war ein langer Weg und er bedurfte zwei Anläufe. Seit 2012 versuchen wir in unserer Schule für “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” zu werben. Aber leider gelang es uns nie mehr als 40 % der zu leistenden Unterschriften vom Kollegium, Personal, Auszubildenden und Schüler zu bekommen.

Wir mussten einsehen, dass es in einer so großen Schule fast unmöglich ist, dies nur den Schülerinnen und Schülern zu überlassen. Daher haben diesmal wirklich alle mitgewirkt und die Schülerinnen und Schüler unterstützt, das wirklich hohe Ziel zu erreichen. Dafür an alle Mitwirkenden nochmal unser Dank. Wirklich eine tolle Leistung!

In diesem Jahr gelang uns der Durchbruch.

Gleich zu Beginn des Schuljahres 2014 wurde auf sämtlichen Sitzungen, durch Plakate und Informationsbriefe erneut auf das Projekt aufmerksam gemacht. Ein Ruck ging durch die Schule und Ende Februar 2015 war es endlich so weit. Mit 73% aller Schulmitglieder gelang es uns nun endlich der Durchbruch.

Ab jetzt darf sich die BBS II Göttingen auch “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” nennen. Dies ist ein erneutes Leuchtfeuer unter den Berufsschulen. Gerade in den Berufsbildenden Schulen, die ein Auffangbecken für unterschiedlichste Menschen und Gruppen ist, ist dies ein wirklich überragendes Ziel. Neben den unterschiedlichsten Schulformen, treffen hier auch unterschiedliche Kulturen, Berufe und Schülergruppen aufeinander. Daher bedeutet uns der Titel sehr viel. Er zeugt von Verständnis, Toleranz, kultureller Vielfalt und den richtigen Weg die Internationalisierung von Schule voranzutreiben.

Sibylle Meyer

25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR – Homosexualität

Göttingen 2015 – »Anders sein. Außenseiter in der DDR« ist eine Themenreihe, die sich eine kleine Gruppe des Beruflichen Gymnasiums, kurz BGT zur Aufgabe gemacht hat. Wir wollen hier kleine Artikel zu folgenden Themen veröffentlichen:

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Homosexualität in der DDR

Am 17. Oktober 2014 wurde es unserer Klasse möglich anhand eines Zeitzeugengesprächs mit Holger Girr, näheres über Homosexualität in der DDR zu erfahren.

Dass Homosexualität in der damaligen DDR bis 1968 verboten war, ist den meisten Leuten bekannt. Trotzdem gibt es noch immer viele Fragen zu diesem Thema – Die möchten wir durch Antworten aus einem Interview mit einem Zeitzeugen, der den Künstlernamen Holly Hocker trägt, beantworten. Dabei werden die Ausmaße der Intoleranz gegenüber Homosexuellen in der DDR deutlich.

1 QR-Code

QR- Code für ein Gedicht von holly hocker aus seinem Gedichtband

Zuerst einmal fragen wir uns: Inwiefern wurden Homosexuelle in der Gesellschaft akzeptiert? Bis 1968 gab es in dem Gesetz der DDR den Paragraphen 175, nach dem tausende homosexuelle Männer verurteilt und ins Gefängnis oder ins Zuchthaus gesperrt wurden. Obwohl 1968 der Schwulenparagraph 175 gestrichen wurde, bekamen Homosexuelle offiziell weder Akzeptanz noch Gleichberechtigung in der DDR-Gesellschaft. Dies sah in einigen größeren Städten der DDR, wie z.B. in Berlin anders aus. Hier gab es sogar ab den 68iger Jahren Schwulenbewegungen, doch in den dörflicheren Regionen der DDR waren Schwule nach wie vor nicht gern gesehen.

Des Weiteren möchten wir auf das Leben und die Erfahrungen unsere Zeitzeugen eingehen.

Unser Zeuge Holly Hocker wurde in Schwerin geboren und ist in der Deutschen demokratischen Republik, zusammen mit drei weiteren Geschwistern, aufgewachsen. Er hatte durch eine seltene Hormonkrankheit und den Mord an seinem Vater bereits in frühen Jahren kein leichtes Leben.

Holly Hocker besuchte zehn Jahre lang die Schule und machte eine Lehre, wie die meisten Kinder damals. Er entschied sich für eine Ausbildung zum Finanzkaufmann und wurde mit 16 Jahren jüngster Versicherungsinspektor in der DDR.

Der Zeuge berichtet, dass ihm solange er in der DDR gelebt hatte nicht bewusst gewesen war, ob er schwul sei oder nicht. Kontakt zu anderen Männern hatte er jedoch bereits mit 14 oder 15 Jahren. Nach der zehnten Klasse, also ca. mit 16 Jahren, hatte Holly Hocker eine Freundin, die er schwängerte. In der DDR war es üblich abzutreiben und so verlor er das Kind. Insgesamt zeugte er drei Kinder – das zweite während der Lehrzeit, welches ebenfalls abgetrieben wurde und das dritte mit seiner späteren Freundin, die das Kind jedoch verlor. Er war sogar damals verlobt und wollte heiraten.

Mit ungefähr 25 Jahren fiel Holly auf, dass etwas an ihm anders war. Er fing an sich für Männer zu interessieren.

Doch wie konnte er dieser Vorliebe damals nachgehen?

Er berichtet, dass er in der DDR heimlich andere Männer traf und auf private Veranstaltungen für Homosexuelle ging. In der Öffentlichkeit durfte er seine Vorlieben und Gefühle nicht zeigen. Dadurch wäre ein normales Leben, welches er führte, nicht mehr möglich und seine Karriere ebenfalls beendet gewesen. Schwule wurden beschimpft und waren ungern gesehen. Sie wurden ausgeschlossen und viele Leute mieden den Umgang mit ihnen, daher wurde es lieber geheim gehalten.

Holly Hocker outete sich später, als er verhaftet wurde. Holly wurde durch ein Schlüsselerlebnis zum Regimekritiker. Dies führte zu seiner Inhaftierung. Er setzte noch einen drauf, indem er sich outete. Er bekam mehr als 12 Monate Haft von denen er nur neun Monate inhaftiert war. Er wurde von der BRD freigekauft. So kam er in den Westen und machte hier seinen ersten AIDS-Test.

2 QR-Codes

QR- Code für ein Gedicht von holly hocker aus seinem Gedichtband – „wird negativ so positiv“ und „HIV-Test“

In Hamburg fand er seine große Liebe „O.“, mit dem er zwei Jahre lang eine Beziehung führte. Diese Liebe trieb ihn zum Gedichte schreiben, sodass er sogar ein Buch veröffentlichte. Heute ist „O.“ verheiratet und hat eine Tochter.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Homosexualität in der DDR weder toleriert, noch akzeptiert wurde. Schwule wurden als abstoßend empfunden und sogar in einer Rosa Liste geführt ähnlich wie dem rosa Dreieck aus dem Dritten Reich, welches Außenseiter kennzeichnete wie die Juden mit dem Davidstern. Im Laufe der Geschichte hat sich an der Toleranz in der Gesellschaft jedoch viel geändert. Angefangen von der Abschaffung des Paragraphen 175, zuerst in der DDR und später 1994 in der BRD, bis hin zur Erlaubnis der Ehe zwischen zwei Homosexuellen im Jahre 2001. Die Gesellschaft reagiert Schwulen gegenüber mittlerweile anders. Sie werden zunehmend akzeptiert und toleriert – Homosexualität tendiert zum „Normalen“ zu werden und das ist auch gut so!

Lena

25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR – Punk in der DDR

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Punk in der DDR

Punk hat sich 1976 in England entwickelt. Mit einer kleinen Verzögerung von zwei Jahren fand er seinen Weg allerdings relativ schnell nach Deutschland.

So kam es, dass es schon 1978 die ersten Punks in der DDR gab. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch nur ein paar kleinere Cliquen in Berlin. Dresden, Halle und Leipzig wurden später weitere Zentren der Punkszene. Gegen Ende der DDR wechselte das Epizentrum der Punkszene von Berlin nach Potsdam.

Foto : toomuchfuture; Punker

Foto : toomuchfuture; Punker

Während der Punk im Westen eine popkuluturelle Bewegung mit politischem Hintergrund war, war sie in der DDR eine politische Bewegung mit popkuluterellem Hintergrund. Der Punk war die Reaktion auf eine durchgeplante Gesellschaft, in der es selbst an elementarsten Grundfreiheiten fehlte. Der Punk war ein Weg, sich als Individuum in einer vereinheitlichten Gesellschaft wahrzunehmen. Ein Akt des Widerstandes gegen eine zwangskollektivierte Gesellschaft.

Punks waren schon immer eine Minderheit. Besonders in der DDR war dies problematisch, da es dort besonders wenige von ihnen gab und sie besonders stark angefeindet wurden. Auseinandersetzungen mit anderen Bewegungen, wie zum Beispiel Skinheads, waren nichts Ungewöhnliches. Diese Konflikte konnten aber auch ohne weiteres mit normalen Bürgern entstehen. Durch diese „Wir gegen den Rest der Welt“ – Mentalität entstand ein besonders starker Zusammenhalt. Einer für alle, alle für einen war das vorherrschende Motto. Dieser Zusammenhalt beschützte die Mitglieder der Szene vor Übergriffen, ließ sie aber auch selbst zu Tätern werden.

Foto : toomuchfuture

Foto : toomuchfuture

Während die Zahl der Punks in der DDR bis 1980 sehr gering blieb, stieg die Zahl zwischen 1980 und 1983 stark an. 1983 gab es ca. 900 Punks in der DDR. 400 davon alleine in Berlin. Mit diesem Wachstum begann auch die erste große Verfolgungswelle, welche von der K1 durchgeführt wurde. Die K1 war eine Politische Abteilung die direkt dem „Ministerium für Staatsicherheit“ (MfS) unterstellt war.

Auch wurde die Szene durch den großen Zuwachs elitärer. Das Szenebewusstsein wurde immer wichtiger und unter den Reihen der Neuzugänge wurde kräftig aussortiert. Wer nicht glaubwürdig vermitteln konnte, dass er den Punk auch wirklich lebt, nicht radikal genug war oder seine Klamotten einfach nicht ins Bild der älteren passten wurde seiner Punker-Kleidung beraubt und nach Hause geschickt. Auch verließ 1983 ein großer Teil die Szene und orientierte sich in eine rechtsextreme Richtung, da diese ebenfalls von einem anarchischen Weltbild geprägt war und weniger von der MfS verfolgt wurde.

Wurden zu Beginn der Bewegung noch alle Punks gleichmäßig von der Polizei mit Maßnahmen, wie Personenkontrollen oder Hausdurchsuchungen, drangsaliert, so konzentrierten sich die Maßnahmen mit Beginn der ersten Verfolgungswelle 1983 auf die Urpunks. Jüngere Punks, also die neue Generation, wurde größtenteils in Frieden gelassen, auch wenn sie stets damit rechnen mussten, auf der Straße angehalten zu werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Urpunks durch ihre politische Motivation, gegen den vorgeschriebenen Lebensablauf durch den Staat zu Punks geworden sind und sich damit öffentlich gegen das System stellten. Die neue Generation hat Punk wie im Westen als eine Popkultur behandelt. Besonders junge Punker konnten gut als „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) angeheuert werden, um die Szene zu untergraben. Sie wurden mit Zigaretten, Geld oder Schallplatten bezahlt. Auch setzte das MfS Falschinformationen über nichtexistente IM in die Welt um die Szene von innen zu zersetzen. Besonders in der Musikbranche war es einfach, IM aus den Reihen der Punks anzuheuern. Auf diesem Weg wurde so gut wie jede Punkband der DDR von IM unterwandert. Der bekannteste IM in der Punkerszene war wahrscheinlich Sascha Anderson, der ehemalige Sänger der Band Zwitschermaschine. 1983 veröffentlichte er mit seiner Band und Schleim-Keim, einer anderen Punkband, das Album „DDR von unten“, welches als erstes Punkalbum der DDR gilt. Aufgrund verfassungswidriger Texte wurde Schleim-Keim zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, auch um ein Exempel zu statuieren. Zwitschermaschine blieb auf Grund von Andersons Aktivitäten als IM verschont. 

Foto : toomuchfuture

Foto : toomuchfuture

Um beliebig Punker festnehmen und über mehrere Tage ohne Anklage festhalten zu können, wurde der § 220 des Strafgesetzbuches („Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung“) 1979 eingeführt. Als Herabwürdigung der staatlichen Ordnung galt schon die Kleidung der Punker. Wurden Punker ohne Anzeige festgehalten, galten sie als Nichtinhaftiert wurden verhört, eingeschüchtert und es wurde meistens versucht sie als IM anzuwerben. Die Höchststrafe im Falle einer Anklage konnte mit bis zu zwei Jahren Haft ausfallen. Damit riskierte jeder Punk seine Freiheit, wenn er nur auf die Straße ging. Trotzdem stieg die Zahl der Punks in der DDR nach 1983 weiter an. Mit Maßnahmen wie Arbeitsentzug, Verhaftungen oder Gaststättenverbot wurde die Urpunkszene von 1983 auf 1984 gezielt zerschlagen.

Aus der kleinen zusammenhaltenden Szene wurde eine lose agierende Bewegung. Auch wurde die Szene wieder weniger elitär. Sie öffnete sich und wurde zu einer Spaß- und Freiheitsbewegung.

Es konnte mitmachen wer wollte. Ab 1986 wurde die Musik sogar vom Staat toleriert und auch die FDJ begann, Punkkonzerte zu veranstalten. Während der junge Punk immer mehr toleriert wurde, litten die Urpunks immer noch unter einer starken Verfolgung. Sie lehnten diese neue Bewegung daher ab und nannten sie geringschätzig „FDJ-Punks“.

Nach dem Mauerfall löste sich dir Punkbewegung im Osten fast komplett auf. Sie war gegen Ende der DDR schon auf ca. 600 Punks geschrumpft, während die Skinheadszene noch vor der Wende auf über 1000 Mitglieder anstieg. Viele Punks schlossen sich diese aufstrebenden Jugendbewegung an und tauschten, wie schon 1983, ihre linken Ideale gegen rechte. Es gingen auch viele in den Westen, wo die Szene sich mehr entfaltet hatte. Aber viele der Urpunks kamen dort nicht zurecht. Sie fühlten sich wie pensionierte Krieger. Auch so gut wie alle Punkbands lösten sich auf, da der Bedarf an ihnen aufgrund der großen Westkonkurrenz einfach nicht mehr vorhanden war.

Torben

Quellen

http://www.toomuchfuture.de/

http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/156076/index.html

http://www.jugendopposition.de/index.php?id=1952

http://de.wikipedia.org/wiki/Punk_in_der_DDR

too much future

Bilder sind von toomuchfuture.de übernommen worden. Es liegt der Schule eine Genehmigung für diesen Artikel vor.

25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR – REPUBLIKFLUCHT

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Der Wunsch nach Freiheit – Die Flucht das Mittel der Wahl

Interview mit Gerlinde Hölzner

Alles begann mit circa 10 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg als die Russen die Ostgebiete eroberten und besetzten. Gerlinde flüchtete mit ihrer Schwester, ihren Eltern, ihrer Tante, ihrer Oma und einer weiteren Familie von Ostpreußen Richtung Wismar. In Wismar lebten die Familien dann in ihrem Auto. Wismar war zur damaligen Zeit von Kanadiern besetzt. Nachdem jedoch Deutschland unter den Alliierten aufgeteilt wurde, wurde Wismar den Russen zugesprochen. Die Kanadier verließen Wismar und wiesen Gerlinde und ihre Familie an mitzukommen. Aufgrund von Krankheit der Oma und Schwangerschaft von der Tante entschied sich die Familie zu bleiben.

Gerlinde und ein Teil ihrer Familie lebten in Wismar. Ein anderer Teil zog um nach Kaufungen, ein Ort nahe Kassel. Gerlinde und ihre Schwester reisten gelegentlichen nach Kaufungen. Durch zufällige Umstände verharrte Gerlindes Schwester in Westdeutschland und Gerlinde in Ostdeutschland als die endgültige Mauer gebaut wurde. Gerlinde und ihre Schwester wurden getrennt. Gerlinde bekam 10 Kinder von zwei verschiedenen Männern.
In diesem Interview soll es darum gehen wie Gerlinde zum Thema Flucht steht und warum man aus der DDR flüchten wollte, welche Folgen das Ganze haben konnte und wie die Menschen damit umgingen. Heute ist Gerlinde 80 Jahre alt.

„In wie fern stehen Sie mit dem Thema Flucht in Verbindung?
Nie waren meine Kinder oder ich mit dem System der DDR einverstanden. Immer wurde man beschränkt. Viele meiner Kinder haben versucht zu fliehen. Manche wurden gestoppt, manche haben es geschafft und heute wohnen wir alle in einem gemeinschaftlichen Deutschland.

Wussten Sie von den Fluchtversuchen ihrer Kinder? Wie liefen die Fluchtversuche ab?
Dass meine Söhne flüchten wollten, war mir bewusst, jedoch wurde dies nie ausgesprochen. Vieles wurde in der DDR nicht ausgesprochen, aber es wusste jeder. Drei meiner Söhne haben versucht während der Existenz der Mauer über die Tschechei in die BRD zu flüchten. Allerdings wurden sie verraten und in der Tschechei von der Stasi geschnappt. Meine Söhne wurden daraufhin in Berlin eingesperrt und kamen später ins „gelbe Elend“ nach Bautzen.“

Ich fragte Gerlinde wie sie zu der Flucht steht und ob sie Verständnis für die Fluchtversuche hat und hatte.
Gerlinde hat durchaus Verständnis für die Versuche ihrer Kinder zu flüchten. Eventuell hat sie auch selbst dazu beigetragen, dass es zu den Fluchtversuchen gekommen ist. Sie erzog ihre Kinder steht’s so, dass sie wussten, was Gerlinde selbst von der DDR hielt. Gerlinde war nie in einer Partei der DDR und hat auch den 1. Mai Marsch stets verweigert.

„Wie sahen die Konsequenzen aus?
Gerlinde war in der DDR als Krankenschwester im Krankenhaus tätig. Aufgrund mehrerer Umstände wurde sie dreimal versetzt. Die Versetzungen dienten stets zur Bestrafung. Die erste Versetzung erfolgte nach dem Ausreiseantrag ihrer Kinder. Die Flucht ihrer Söhne sorgte für noch mehr Ärger. Da Gerlinde in keiner Partei war, bekam sie keine Prämien und später wurde der ganzen Abteilung, in der Gerlinde arbeitete, die Prämie verweigert. So wurde ein Gruppenzwang und auch Druck auf Gerlinde ausgeübt. Wer in der DDR nicht in der richtigen Partei war und nicht am 1. Mai Marsch teilnahm wurde bestraft. DDR Flucht war noch weitaus schlimmer und Gerlinde bekam das oftmals zu spüren.

Wie ging es mit ihren Söhnen weiter?
Zur 40-Jahrfeier der DDR wurden die inhaftierten Söhne von Gerlinde begnadigt und konnten aus dem Gefängnis wieder nach Hause. Es blieb jedoch nicht bei diesem Fluchtversuch ihrer Söhne. Zwei der verhafteten Söhne versuchten es später noch einmal. In Gerlindes Familie dominiert der Wunsch nach Freiheit und der Flucht in den Westen. So flohen ein weiterer ihrer Söhne sowie eine Tochter. Einer gab vor in den Urlaub nach Polen zu fahren und nutzte die offenen Grenzen um über Polen zu fliehen. Zwei weitere Kinder flohen über Ungarn und ein vierter nutzte die Gelegenheit den Staat über Tschechien zu verlassen. Er kletterte über die Mauer der deutschen Botschaft in Prag und fuhr mit dem ersten Zug von Prag in die BRD.

Ich fragte Gerlinde wie es dazu kam, dass ihre Kinder aus der DDR flüchten wollten.
In der Geschichte dieser Familie spielte natürlich die Tatsache, dass Gerlindes Schwester im Westen lebte eine entschiedene Rolle. Sie besuchte Gerlinde und ihre Kinder immer wieder und brachte Dinge aus dem Westen mit. Zudem konnte man in Wismar, wenn man das richtige Fernsehgerät und ein bisschen Geld hatte, Westfernsehen empfangen. So schauten auch Gerlinde und ihre Kinder stets Westfernsehen. Sie wussten also was ihnen entging,

  • wenn sie nicht selber ihren Beruf wählen durften,
  • nicht selber entscheiden durften ob sie zur Oberschule gehen wollten oder nicht
  • wenn sie Pioniere sein mussten obwohl sie keinerlei Vaterlandsliebe empfanden.

Ein Schlüsselereignis, welches Gerlinde besonders in Erinnerung geblieben ist, war der Umstand, dass Gerlinde und ihr Mann einen Bauplatz und eine Baugenehmigung bekamen. Aber keine Ziegelsteine für den Bau eines Hauses. Auch gab es nur eine einzige Wandfarbe für alle Räume in dunkelbraun. Gerlinde machte dieser Umstand wütend und so ergab es sich eines Tages, dass Gerlinde einen Brief an Walter Ulbricht schrieb, indem sie darüber klagte, dass sie einen Bauplatz und sogar eine Baugenehmigung habe aber keine Ziegelsteine für den Bau des Hauses. Sie hatte Erfolg mit ihrem Brief und bekam Ziegelsteine. Jedoch wurden diese Steine nachts mit dem Zug angeliefert. So dass Gerlinde, ihr Mann und ihre Kinder den Zug nachts abladen durften. Wie diese Geschichte zeigt musste man in der DDR kreativ sein, so wie bei vielen anderen Sachen auch. Es gab keine Waschbecken. Gerlinde und ihr Mann nutzten ein Friseurwaschbecken zum Abwaschen. Die Heizung wurde schwarz besorgt sowie die Kohlen und vieles andere mehr. Sie bekamen diese Sachen meist von den Russen im Tausch gegen Alkohol. Gerlinde hatte stets das Gefühl die Gesellschaft sei in zwei Klassen aufgeteilt. Auf der einen Seite sah sie die Arbeiter, zu denen sie sich selbst zählte und auf der anderen Seite die so genannten Funktionäre. Hierzu zählten alle Menschen, die aus dem Kreis arbeiteten, die Volkspolizei und andere staatliche Stellen.
Dies alles waren Gründe die Gerlindes Kinder zur Flucht bewegten. Wir glauben, dass es ähnliche Gründe waren bei anderen Familien aus der DDR.

Helene und Johannes

25 Jahre Mauerfall – Ein Rückblick auf die Außenseiter der DDR – REPUBLIKFLUCHT

Göttingen 2014 – »Anders sein. Außenseiter in der DDR« ist eine Themenreihe, die sich eine kleine Gruppe des Beruflichen Gymnasiums, kurz BGT, zur Aufgabe gemacht hat. Wir wollen hier kleine Artikel zu folgenden Themen veröffentlichen:

2Anderssein-Blog

Unser heutiger Artikel berichtet über:

Ikarus – Michael Schlosser

Am 28. November 2014 wurde es den Schülern der BBS II zum zweiten Mal ermöglicht, anhand eines Vortrags, sich Michael Schlossers Geschichte vor Augen zu führen. Zur Vorbereitung auf diesen Vortrag wurde bereits geraume Zeit vor dem Vortrag der vierte Nachbau seines „Flugzeugs“ ausgestellt.

Mediothek-Schlosser

BBS II Göttingen – Mediothek – das ausgestellte Flugzeug und die Biographie von Michael Schlosser

Der Vortrag begann mit einem Film, welcher in 30 Minuten Michael Schlossers Geschichte erzählte. Michael Schlossers Leben beginnt 1944 in Triptis in Thüringen. Er wächst unter normalbürgerlichen DDR Verhältnissen auf. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung zum Kfz-Schlosser und ersten Berufserfahrungen bei der NVA in diesem Bereich, wollte Michael Schlosser sich als KFZ-Mechaniker mit eigener Werkstatt selbstständig machen. Jedoch bekam er nie einen Gewerbeschein, da die Regierung dies nicht für nötig hielt. Sie vermittelten ihm 1976 eine Tätigkeit als Fuhrparkleiter beim DDR-Fernsehen. Dies soll sich im weiteren Verlauf der Geschichte noch als hilfreich für sein Vorhaben erweisen. Hier setzt der Film an.
Als Schlosser während seines Urlaubs in Ungern einen Radioaufruf hört, packt ihn der Ehrgeiz. Er will mit einem selbstgebauten Flugobjekt auf dem Axel-Springer-Gebäude in Westberlin landen, und 1.000.000 DM Preisgeld kassieren. Fasziniert von dieser Idee machte er erste Pläne. Zur Umsetzung dieser Pläne diente ein Schuppen, den er als „Hühnerstall“ bezeichnete. Zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen wurden getroffen. Trotz all der Bemühungen wurde Schlosser von einem Arbeitskollegen, der speziell auf ihn angesetzt wurde, kurz bevor er Republikflucht begehen wollte, verraten.
Interessanterweise ist es Michael Schlosser gelungen sein Flugobjekt noch in der DDR zu testen, so dass er wusste, dass sein Eigenbau fliegen und ihn über die Grenze bringen würde. Bei seinem ersten und einzigen Flugversuch kam ihm zugute, dass er Fuhrparkleiter war und so sein Flugzeug zur Teststrecke in der Nähe einer russischen Kaserne bringen konnte. Eine russische Patrouille erwischte ihn beim entladen des Fluggerätes. Schlosser sagte, dass er vom Fernsehen sei und das Fluggerät testen solle, so halfen ihm die Russen beim be- und entladen.
Nachdem Verrat wurde Schlosser zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Vor Ablauf seiner Haftdauer wurde er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Michael Schlosser lebt heute wieder im Raum Dresden. Da sein Originalfluggerät nicht auffindbar ist, baute er bisher vier Nachbildungen.
Dieser bewegende und ehrgeizige Fluchtversuch ist nur einer von vielen.

Lena, Helene und Johannes

Außenseiter in der Geschichte Bundespräsident Joachim Gauck ruft zur historischen Spurensuche zum Thema »Anders sein« auf

Göttingen – »Anders sein. Außenseiter in der Geschichte« ist das Thema der 24. Ausschreibung des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Drei Klassen des beruflichen Gymnasiums der BBS II Göttingen nehmen an diesem Wettbewerb teil, der am 1. September 2014 gestartet ist und bis zum 28. Februar 2015 gehen wird. Ausrichter des Wettbewerbs ist die Körber-Stiftung.

Au§enseiter in der Geschichte / BundesprŠsident Joachim Gauck ruft zur historischen Spurensuche zum Thema ÈAnders seinÇ auf

Anderssein bewegt die Gesellschaft

Was verstehen wir heutzutage unter „Anders sein“? Anderssein lässt sich nicht einfach beschreiben, denn jeder von uns hat eine andere Erklärung für Anders sein. Für manche ist Anders zu sein sogar „normal“.

Jeder von uns ist anders auf diesem Planeten. Es gibt zwar Ähnlichkeiten untereinander, aber wir alle sind geprägt durch eine einzigartige Mischung von Erfahrungen und Eigenschaften, die jeden wiederum einzigartig machen – also anders!

„Ich weiß, dass ich anders bin als andere, weil ich andere Gedanken habe und meine eigene Gefühlswelt besitze. Ich reagiere demnach auf ein und dieselbe Sache anders als andere in meinem Alter. Anders sein ist demnach nichts Schlechtes. Es macht mich individuell.“

Doch was ist nun „Anders sein“? Sind wir anders, wenn wir aus der Reihe tanzen, d.h. nicht über eine „grüne Ampel gehen“ oder nicht die gleiche Meinung vertreten? Wir vertreten jeden Tag andere Meinungen. Dies sehen wir schon beim Fußball. In einer Klasse/Stadt/Region können unterschiedliche Fußballfans vertreten sein und jeder glaubt, dass sein „Club“, der beste und erfolgreichste ist. Was ist daran schlecht? Dies macht doch „Vielfalt“, „Spannung“, „Interesse“ und „Kommunikation“ aus, oder?

Was macht uns nun „anders“? – Sind wir anders, wenn wir uns nichts sagen lassen, uns nicht anpassen – einfach machen, was wir wollen, was uns gefällt? Hm, dann heißt es von außen – wir sind nicht „normal“. Doch was bedeutet jetzt „normal“? und wer entscheidet darüber?

„Normal“ das klingt erst einmal langweilig, gewöhnlich, alltäglich, simpel. Normal ist demnach etwas, woran ich mich gewöhnt habe. Es stellt nichts mehr Neues, Ungewöhnliches dar. „Es ist eben normal!“.

Normal ist von der Gesellschaft gemacht, „normal“ wird vorgelebt und passiert tagtäglich. „Normal“ sind Normen und Regeln, die Vereinheitlichen, „normal“ ist „gleich“? – Nein, gleich ist nicht gleich normal. Es vereinfacht nur Situationen; Dinge, die das Leben vereinfachen. Eine Norm im Bau vereinfacht den Bau eines Hauses, da alle Teile einsetzbar sind, sie sind genormt also gleich. Nur Menschen sind nicht gleich. Menschen entstammen der gleichen Art aber dennoch ist jeder anders – auch wenn er zu mehr als 98,5% aus den gleichen Stoffen besteht und nur ca. 1,5 % sich unterscheiden. Aber die knappen 1,5  % machen ein Individuum, also mich, aus und das finde ich gut.

Anders sein ist also normal und normal ist gleich oder gleich gut? – oder ist normal ein Verhalten und das normale Verhalten ist ein gleiches, dass Individuen in einer Gesellschaft an den Tag legen und als „normal“ bezeichnen. Weiche ich also von dem „normalen Verhalten“ ab, bin ich anders, ein Aussätziger, werde ausgegrenzt, diskriminiert, ein Außenseiter in der Geschichte. Demnach ist alles, was anders ist, nicht „normal“ und gehört nicht dazu, weil wir es uns einfach nicht erklären können. Es ist „krank“!. Kranke sind demnach nicht „normal“ also anders und dieses „anders“ ist schlecht….

Ich drehe mich im Kreis – gibt es einen Ausweg?

Im Projekt „Anders sein. Außenseiter in der Geschichte“ befassen wir uns mit diesen Themen, die am Rande der „Normalität“ stehen, aber „Normen“ sind von der Gesellschaft gemacht und können aufgeweicht und erweitert werden. Vielleicht schaffen wir das ja mit den Themen: Homophobie, Homosexualität, Apartheit, Behinderungen, Subkulturen und Selbstmörder.

Sei gespannt…  

2014 BGT 1B, BGT 3B

Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme – 25 Jahre Mauerfall

 

Die BBS II Göttingen präsentiert vom 10.11. – 28.11.2014 die Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme – Streiflichter auf die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert“ vom Münchner Institut für Zeitgeschichte, Deutschlandradio Kultur und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Mit Zeitzeugengesprächen gedenken wir in diesem Rahmen auch an den Mauerfall vor 25 Jahren.  

Ausstellungsplakat und Erläuterung

Ausstellungsplakat und Erläuterung

Die Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme. Streiflichter auf die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert“ greift alle zentralen Themen des Erinnerungsjahrs 2014 auf und wird bundesweit in rund 3.000 Exemplaren sowie international in zehn Sprachfassungen gezeigt.

Die Ausstellung erzählt Europas 20. Jahrhundert als dramatische Geschichte zwischen Freiheit und Tyrannei, zwischen Demokratie und Diktatur. Sie lädt zu einer historischen Ortsbestimmung ein, zu der das Jahr 2014 herausfordert: 2014 jährt sich der Ausbruch des 1. Weltkriegs zum 100. Mal, 75 Jahre sind seit Beginn des von Deutschland entfesselten 2. Weltkriegs vergangen, 25 Jahre seit den friedlichen Revolutionen und zehn Jahre seit der EU-Osterweiterung.

An dieser Stelle wollen wir dem Mauerfall, der friedlichen Revolution, gedenken. Diese Revolution machte aus zwei Deutschen Staaten wieder einen mit echter Demokratie. Vergessen wollen wir nicht, welches Leid Menschen widerfahren ist, die sich gegen das DDR-Regime auflehnten und einfach nur „frei“ sein wollten und so dem DDR-Staat den Rücken kehrten.

Neben der Ausstellung präsentieren wir einmalig in Göttingen das selbstgebaute Fluggeräte von Michael Schlosser. Mit diesem Fluggerät, welches er aus Daffke gebaut hatte, wollte Michael Schlosser dann doch die DDR verlassen. Bevor er jedoch zum entscheidenden Flug antreten konnte, wurde er verraten und inhaftiert. Ende November wird uns Herr Schlosser mit seiner Geschichte und für ein Gespräch zur Verfügung stehen. In der 47. KW freuen wir uns auf den Besuch von Frau Bärbel Große und  ihrer Geschichte. Die Odyssee vom einfachen Ausreiseantrag für die ganze Familie (vier Personen), über das  Frauengefängnis Hoheneck, der Zermürbung bis in die Freiheit in den Westen.

Michael Schlosser in der BBS II Göttingen

Michael Schlosser in der BBS II Göttingen

Noch ein paar Informationen zur Ausstellung:

Auf 26 Tafeln präsentiert die Ausstellung rund 190 zeithistorische Fotos sowie 24 historische Tondokumente, die mit internetfähigen Telefonen via QR-Codes abgerufen werden. können. Autoren der Ausstellung sind der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte Prof. Dr. Andreas Wirsching und Dr. Petra Weber. Die vom Leipziger Grafiker Dr. Thomas Klemm gestaltete Ausstellung wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, dem Institut für Zeitgeschichte und Deutschlandradio Kultur herausgegeben.

Nähere Informationen zur  Ausstellung und deren Bestellmöglichkeit finden Sie hier: www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/ausstellung2014.

Sibylle Meyer